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Erlass Bayern

Förderung von Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens

Auf der Grundlage des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 20. April 1978 (KMBl 1979 S. 577) hat das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus mit Bekanntmachung vom 18. Juni 1980 (KMBl I S. 498), geändert mit Bekanntmachung vom 26. September 1980 (KMBl I S. 598), Richtlinien zur Förderung von Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens in den Jahrgangsstufen 5 und 6 des Gymnasiums erlassen. Mit Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 31. August 1990 (KWMBl I S. 319) wurden Grundsätze zur Förderung dieser Schüler an Volksschulen veröffentlicht.

Neuere Erkenntnisse aus Medizin, Psychologie und Pädagogik ermöglichen eine genauere Erklärung der Ursachen und Entstehung sowie der Erscheinungsbilder dieser Teilleistungsstörung und geben konkrete Hinweise für gezielte Fördermaßnahmen, die an den individuellen Schwierigkeiten des einzelnen Schülers orientiert sind.

 

I

Ursachen und Erscheinungsbilder

Zu unterscheiden ist eine Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie, Dyslexie) mit teilweise hirnorganisch bedingten, gravierenden Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsstörungen von einer vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche (LRS), die in mehr oder minder starker Ausprägung eine Verzögerung im individuellen Lese- und Schreiblernprozess darstellt. Zu unterscheiden sind zusätzlich Erscheinungsformen der Lese- und Rechtschreibschwäche bei Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

  1. Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie)

Legasthenie ist eine Störung des Lesens und Rechtschreibens, die entwicklungsbiologisch und zentralnervös begründet ist. Die Lernstörung besteht trotz normaler oder auch überdurchschnittlicher Intelligenz und trotz normaler familiärer und schulischer Lernanregungen. Die Beeinträchtigung oder Verzögerung beim Erlernen grundlegender Funktionen, die mit der Reifung des zentralen Nervensystems verbunden ist, hat demnach biologische Ursachen, deren Entwicklung lange vor der Geburt des Kindes angelegt oder durch eine Schädigung im zeitlichen Umkreis der Geburt bedingt ist.

Legasthenie ist eine nur schwer therapierbare Krankheit, die zu teilweise erheblichen Störungen bei der zentralen Aufnahme, Verarbeitung und Wiedergabe von Sprache und Schriftsprache führt. Individuelle Ausprägungen und Schweregrade dieser Lernschwierigkeit ergeben sich durch unterschiedliche Kombinationen von Teilleistungsschwächen der Wahrnehmung, der Motorik und der sensorischen Integration.

Von Legasthenie sind rund 4 % aller Menschen betroffen.

  1. Lese- und Rechtschreibschwäche (LRS)

Im Gegensatz zur anhaltenden Lese- und Rechtschreibstörung können Schüler ein vorübergehendes legasthenes Erscheinungsbild aufweisen, das auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen ist. Ursache dafür kann z.B. eine Erkrankung, eine besondere seelische Belastung oder ein Schulwechsel sein.

Rund 7 bis 10 % aller Schüler im Einschulungsalter haben Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens.

  1. Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf

Lese- und Rechtschreibschwächen im Rahmen einer allgemeinen Minderbegabung treten bei Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf, die aber nicht so schwach begabt sind, dass sie eine Schule zur individuellen Lernförderung besuchen müssten. Diese Schüler haben jedoch in allen Bereichen schulischen Lernens und Arbeitens teilweise erhebliche Schwierigkeiten, die über die gesamte Schulzeit anhalten.

II

Lesen- und Schreibenlernen als Aufgabe der Schule

Der Beherrschung der Schriftsprache kommt für die Entfaltung der Persönlichkeit, die sprachliche Verständigung, den Erwerb von Wissen und Können, die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen sowie für den Zugang zum Beruf und für das Berufsleben besondere Bedeutung zu. Eine grundlegende Vermittlung von Sprach- und Sprechfertigkeiten sowie eine gewissenhafte Sprachpflege gehören daher zu den Hauptaufgaben der Schule. Insbesondere die Grundschule muss dafür Sorge tragen, dass sich möglichst alle Schüler die grundlegenden Fähigkeiten und Fertigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechtschreiben aneignen. Unbeschadet der hohen Bedeutung sicherer Rechtschreibkenntnisse darf aber auch nicht außer Acht gelassen werden, dass technische Kommunikationsmittel zunehmend in der Lage sind, diesbezügliche Störungen oder Schwächen teilweise auszugleichen.

Bei einer nicht geringen Zahl von Schülern ist der Schulerfolg durch besondere Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben beeinträchtigt. Davon sind insbesondere Schüler der Grundschule, aber auch Schüler aller anderen Schularten betroffen.

Die nachstehenden Grundsätze und Regelungen sollen dazu beitragen, bei einer vorliegenden Legasthenie oder einer Lese- und Rechtschreibschwäche angemessene Fördermaßnahmen einzuleiten und durchzuführen, dem Entstehen solcher Teilleistungsstörungen im Rahmen des Möglichen vorzubeugen und auftretende Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens soweit möglich zu überwinden.

  1. Voraussetzungen für das Erlernen des Lesens und Rechtschreibens

Das Erlernen des Lesens und Schreibens vollzieht sich in einem sehr differenzierten Prozess, der Sprach- und Sprechfähigkeiten, optische und akustische Wahrnehmung und Differenzierung als Grundlage für phonologische Bewusstheit, rhythmische Gliederungsfähigkeit, Symbolverständnis sowie feinmotorische Fertigkeiten der Hand voraussetzt.

Wichtig sind aber auch allgemeine Lernvoraussetzungen wie Selbstvertrauen, Freude am Lernen, Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit, intellektuelle Neugierde, Denkfähigkeit, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit.

Weil die Schulanfänger unterschiedliche Lernvoraussetzungen mitbringen, hat die Lehrkraft zu Beginn der Jahrgangsstufe 1 die Ausgangslage jedes Schülers durch gezielte Beobachtung festzustellen und zu berücksichtigen. Soweit die Schüler die notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Vorschulalter noch nicht erworben haben, müssen diese besonders im Anfangsunterricht systematisch entwickelt werden, bevor mit dem Lese- und Schreiblernprozess begonnen wird.

  1. Unterricht

Ein sorgfältig durchgeführter Erstlese- und Erstschreibunterricht berücksichtigt nicht nur die individuellen Lernvoraussetzungen der Schüler, sondern sichert auch die einzelnen Stufen und Phasen des Schriftspracherwerbs. Dabei muss sich der Unterricht an den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen sowie dem individuellen Lernverhalten und Lerntempo der Schüler orientieren. Der verbindliche Übungswortschatz erlaubt zunächst eine Konzentration des Rechtschreibunterrichts auf die intensive Einübung ausgewählter Wörter, bildet aber nur die Grundlage für die Übertragung und Weiterentwicklung rechtschriftlicher Erkenntnisse und Regelungen in alters- und entwicklungsangemessener Weise. Dazu eignen sich auch alle anderen Fächer.

Variierende Übungsformen, die sowohl dem rechtschriftlichen Charakter des Wortes als auch einem kind- und zeitgerecht gestalteten Unterricht Rechnung tragen, sowie häufige Wiederholung tragen dazu bei, erworbene Rechtschreibkenntnisse zu sichern. Auf diese Weise gelingt es, bestehende Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben angemessen zu berücksichtigen, durch geeignete Unterrichtsverfahren und gezielte Fördermaßnahmen entstehenden Schwierigkeiten vorzubeugen und ein Versagen im Lesen und Schreiben und seine negativen Auswirkungen auf das gesamte schulische Lern- und Leistungsverhalten zu verhindern.

Die genannten Hilfen im Fach Deutsch gelten sinngemäß auch beim Erlernen von Fremdsprachen.

III
Fördermaßnahmen

  1. Fördermaßnahmen im Rahmen des Unterrichts

“Die Grundschule betreut jedes Kind mit dem Ziel seiner allseitigen Förderung. Sie sucht individuelle Begabungen bestmöglich zu entfalten, bemüht sich, Rückstände aufzuholen, Schwächen zu beheben oder anderweitig auszugleichen und leitet – wenn dies nicht möglich ist – dazu an, mit ihnen zu leben” (Lehrplan für die Grundschule, KMBl I, So.-Nr. 20/1981). Entsprechendes gilt für alle anderen Schularten.

Viele Schüler haben Schwierigkeiten bei der Schriftsprachentwicklung, bei manchen halten diese Schwierigkeiten an. Die Lernfortschritte eines Schülers sind deshalb von Anfang an sorgfältig zu beobachten. Treten in der Grundschule beim Erlernen des Lesens und / oder Rechtschreibens besondere Schwierigkeiten auf, ist zu versuchen, diese mit geeigneten Fördermaßnahmen im Rahmen der inneren Differenzierung im regulären Unterricht sowie in den in der Stundentafel für die Grundschule besonders ausgewiesenen Förderstunden zu beheben. Die Fördermaßnahmen werden in der Regel vom Klassenlehrer durchgeführt. Eine Ausgliederung ist dabei in der Jahrgangsstufe 1 zu vermeiden. In den anderen Jahrgangsstufen der Grundschule wie auch in der Hauptschule können klassenübergreifende Stütz- und Förderkurse gebildet werden (Bestimmungen zur Stundentafel, Nr. 4.3). Eine äußere Differenzierung, z.B. in Form sog. Legasthenikerklassen, ist nicht statthaft.

Für Schüler, deren Lese- und Rechtschreibschwäche über die Grundschule hinaus besteht, können geeignete Fördermaßnahmen in den weiterführenden Schularten einschließlich der Jahrgangsstufe 10 ergriffen werden.

  1. Besondere Fördermaßnahmen

In Anwendung des § 10 Abs. 4 Nr. 1 der Schulordnung für die Volksschulen in Bayern kann für Schüler mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens an Grund- und Hauptschulen besonderer Förderunterricht eingerichtet werden.

In einzelnen Fällen wird es nötig sein, insbesondere zur Unterscheidung von Schülern mit Legasthenie und solchen mit einer vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche, die Beobachtungen der Schule durch gezielte Untersuchungen zu ergänzen. Soweit nicht eine medizinische Untersuchung angezeigt erscheint, können besonders fachkundige Lehrkräfte (Beratungslehrkräfte und Schulpsychologen) damit beauftragt werde. Tests

sollen dabei jedoch nicht nur der Feststellung von Art und Ausmaß bestimmter Schwächen dienen, sondern in erster Linie geeignete Fördermaßnahmen aufzeigen. Da punktuelle Tests allein nicht aussagekräftig genug sind, sollten sie durch gezielte Langzeitbeobachtungen gestützt werden.

Bei Schülern, deren Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben in Zusammenhang mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf stehen, ist bei Fortdauer erheblicher Schwierigkeiten ggf. zu überprüfen, ob eine weitere Förderung in der Grundschule bzw. in der Hauptschule in angemessener Weise möglich ist.

  1. Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten

Die Erziehungsberechtigten von Schülern mit Legasthenie bzw. mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche sollen frühzeitig über Art und Ausmaß der Teilleistungsstörungen und über die Möglichkeiten, sie zu überwinden bzw. mit ihnen zu leben, informiert werden. Ihnen sind Beobachtungen zu Verhaltensweisen des Schülers beim Lesen und Schreiben mitzuteilen wie umgekehrt auch Beobachtungen der Eltern in die schulische Beurteilung und Förderkonzeption einfließen sollen.

In den Volksschulen unterrichten die Klassenlehrer, in den weiterführenden Schularten die Fachlehrer für Deutsch bzw. für die Fremdsprachen die Erziehungsberechtigten über bestehende oder neu auftretende Schwierigkeiten frühzeitig und ausführlich und versuchen im Gespräch, unnötigen Ängsten vorzubeugen. Darüber hinaus erhalten die Erziehungsberechtigten Hinweise auf die Methode des Schriftspracherwerbs bzw. des Erwerbs der Fremdsprache, auf besondere Lehr- und Lernmittel, häusliche Übungs- und Fördermöglichkeiten sowie Verhaltensweisen gegenüber dem Schüler. Wo es erforderlich ist, sollen die Erziehungsberechtigten über die Notwendigkeit der Förderung beraten werden. Sie sind über die beabsichtigten schulischen Fördermaßnahmen zu informieren.

Erziehungsberechtigte von Kindern, bei denen Verdacht auf Legasthenie besteht oder Legasthenie festgestellt wurde, sollen darüber hinaus über weitere außerschulische Fördermöglichkeiten und entsprechende Einrichtungen, z.B. das Jugendamt, beraten werden. Zur Förderung dieser Kinder hält die Schule engen Kontakt mit diesen Einrichtungen und stimmt die eigenen Fördermaßnahmen mit den dort tätigen Fachkräften ab.

Falls von den Erziehungsberechtigten eines Kindes mit Legasthenie oder einer Lese- und Rechtschreibschwäche nach Abschluss der Grundschule ein Übertritt des Kindes an das Gymnasium oder die Realschule beabsichtigt ist, sind sie vor einer Entscheidung auf die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Schulart, insbesondere im Fach Deutsch und in den Fremdsprachen, hinzuweisen.

IV

Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung, Zeugnisse

Grundsätzlich unterliegen auch Schüler mit Legasthenie oder einer Lese- und Rechtschreibschwäche an allen allgemeinbildenden Schulen und beruflichen Schulen den für alle Schüler geltenden Maßstäben der Leistungsbewertung.

Wie bei den Fördermaßnahmen muss auch bei der Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung zwischen Schülern mit dauernder Legasthenie und Schülern mit einer vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche unterschieden werden. Eine differenzierte Behandlung kann im Sinne der nachfolgenden Regelungen aber nur dann erfolgen, wenn das Vorliegen einer Legasthenie durch ein schriftliches Gutachten bestätigt wird. Bei Vorliegen eines solchen Gutachtens muss die Legasthenie berücksichtigt werden. Als ausreichende Bestätigung für das Vorliegen einer Legasthenie gelten nur Gutachten, die durch einen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Zusammenwirken mit einem im Schuldienst tätigen Schulpsychologen der jeweiligen Schulart erstellt sind. Grundlage für die Erstellung des Gutachtens sind die vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit im Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII erstellten Kriterien. Gutachten von Kinderärzten, außerschulischen psychologischen Beratungskräften, Logopäden und anderen Fachkräften im Bereich der Sprachförderung können Hinweis oder ergänzende Bestätigung sein, sind jedoch allein nicht ausreichend. Die Anerkennung einer Lese- und Rechtschreibschwäche erfolgt durch den örtlich zuständigen Staatlichen Schulpsychologen.

Das Gutachten über das Vorliegen einer Legasthenie ist beim Übertritt von der Grundschule in eine weiterführende Schule (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) neu auszustellen bzw. vom zuständigen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Zusammenwirken mit dem jeweils zuständigen Schulpsychologen zu bestätigen.

Bei Schülern mit einer vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche sind die durch die Förderung erreichten Verbesserungen im Abstand von höchstens 2 Schuljahren durch den Schulpsychologen zu überprüfen. Die weitere Gewährung von Förderung und Hilfsmaßnahmen sowie die Berücksichtung bei der Leistungsbewertung sind dem Entwicklungsstand anzupassen. In der Regel endet die Berücksichtigung einer Lese- und Rechtschreibschwäche mit Abschluss der Jahrgangsstufe 10.
Bei schulischen Leistungsfeststellungen und Leistungsbewertungen ist für alle Schüler mit Legasthenie oder einer Lese- und Rechtschreibschwäche unter Berücksichtigung der nachfolgenden Regelungen zu gewährleisten, dass sich diese Schwierigkeiten nicht auf andere Lernbereiche auswirken und dort die Leistungsbewertung beeinträchtigen.

  1. Form und Inhalt von Leistungsfeststellungen

Schüler mit einer gutachterlich festgestellten Legasthenie sind von der Teilnahme an schriftlichen Leistungserhebungen, die ausschließlich der Feststellung der Rechtschreibkenntnisse dienen, zu befreien. Nehmen sie freiwillig teil, so erfolgt keine ziffernmäßige Leistungsbewertung, sondern eine verbale Beurteilung, die insbesondere feststellbare Lernfortschritte betont und Anregungen für weiterführende Übungen gibt.

Bei Schülern mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche liegt es im pädagogischen Ermessen der Lehrkraft, die Leistungserhebung dem aktuellen Leistungsstand des einzelnen Schülers anzupassen, z.B. durch Verkürzung des Inhalts oder mit der Möglichkeit eines Lückendiktats. Schriftliche Probearbeiten im Rechtschreiben können ohne ziffernmäßige Benotung verbal beurteilt werden.

Zur Feststellung des individuellen Lernfortschritts sind mündliche und schriftliche Übungen, Klassenarbeiten und informelle Verfahren heranzuziehen sowie Beobachtungen zu nutzen, wie sich der Schüler beim Lesen und Schreiben verhält, ob und wie er Hilfsmittel gebraucht und wie er sich in Partner- und Gruppenarbeit zurechtfindet.

  1. Hilfen bei Leistungsfeststellungen

Auch in den anderen Fächern außer Deutsch können sich bei allen schriftlich gestellten und/oder schriftlich zu beantwortenden Leistungsfeststellungen die Teilleistungsstörungen im Lesen oder Schreiben zum Nachteil für die betroffenen Schüler auswirken. So brauchen Schüler mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen ein Mehrfaches an Zeit, um Fragen und Problemstellungen zu lesen und zu erfassen, Informationen aus Texten aufzunehmen und zu verarbeiten, bevor sie eine Lösung erarbeiten können. Schüler mit Schwierigkeiten beim Schreiben brauchen mehr Zeit, um ihre Lösung zu Papier zu bringen.

Schüler mit gutachterlich festgestellter Legasthenie müssen, Schüler mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche können deshalb bei schriftlichen Leistungsfeststellungen in Proben, Schulaufgaben und Prüfungen in allen Fächern einen Zeitzuschlag bis zur Hälfte der regulären Arbeitszeit erhalten. Die Dauer des Zeitzuschlags richtet sich nach Art und Ausmaß der Störung. Er wird auf Empfehlung der fachlich zuständigen Lehrkräfte vom Schulleiter festgelegt.

Andere Möglichkeiten der Hilfestellung insbesondere bei Stegreifaufgaben bestehen z.B. darin, dem betreffenden Schüler eine schriftlich gestellte Aufgabe zusätzlich vorzulesen oder die Leistungsfeststellung mit dem Schüler mündlich durchzuführen. In geeigneten Fällen und bei entsprechender Ausstattung der Schule können auch technische Hilfsmittel eingesetzt werden.

  1. Leistungsbewertung

3.1 Deutsch

Bei Schülern mit einer gutachterlich festgestellten Legasthenie entfällt eine notenmäßige Bewertung des Lesens und Rechtschreibens. Diese Bereiche fließen in die Deutschnote nicht mit ein. In das Zeugnis ist die Bemerkung aufzunehmen: “Auf Grund einer fachärztlich festgestellten Legasthenie wurden Rechtschreibleistung nicht bewertet.” Die Erziehungsberechtigten betroffener Schüler sind bei der Antragstellung auf Berücksichtigung einer gutachterlich festgestellten Legasthenie auf diese Zeugnisbemerkung hin zuweisen.

Bei Schülern mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche können die Leistungen im Lesen und Rechtschreiben zurückhaltend gewichtet werden. In das Zeugnis ist die Bemerkung aufzunehmen: “Aufgrund einer vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche wurden die Leistungen im Lesen und Rechtschreiben zurückhaltend bewertet”. Grundsätzlich darf bei diesen Schülern die Rechtschreibleistung nur bei Leistungserhebungen, die der Feststellung der Rechtschreibkenntnisse dienen (z.B. Diktate), notenmäßig bewertet wer den. Bei allen anderen Arbeiten, z.B. bei Aufsätzen, Niederschriften, Protokollen, u.a. ist eine fehlerhafte Rechtschreibung zwar zu kennzeichnen, darf aber nicht in die Bewertung einfließen.

3.2 Fremdsprachen

In den weiterführenden Schulen stellen sich für Schüler mit Legasthenie oder einer Lese- und Rechtschreibschwäche beim Erlernen einer Fremdsprache die gleichen Probleme wie im Fach Deutsch. Soweit rein rechtschriftliche Leistungen abgeprüft werden, ist bei Schülern mit gutachterlich festgestellter Legasthenie analog zum Fach Deutsch auch in der Fremdsprache von einer ziffernmäßigen Bewertung des Lesens und Rechtschreibens abzusehen. Bei der Festlegung der Zeugnisnote sollen je nach Art und Ausmaß ihrer Teilleistungsstörung die mündlichen Leistungen im Vordergrund stehen. Bei Schülern mit gutachterlich festgestellter Legasthenie sind schriftliche und mündliche Leistungen im Verhältnis 1: 1 zu gewichten. Die Festsetzung der mündlichen Note erfolgt auf der Basis von rein mündlichen Leistungsnachweisen (nicht Stegreifaufgaben), je nach Schulart in angemessener Anzahl. In der Zeugnisbemerkung ist darauf entsprechend einzugehen.

3.3 Andere Fächer

Auch in allen anderen Fächern sind eine Legasthenie bzw. Lese- und Rechtschreibschwäche bei davon betroffenen Schülern zu berücksichtigen. Bei der Bewertung schriftlicher Leistungsfeststellungen darf die mangelnde Rechtschreibleistung nicht in die Notengebung einfließen.

3.4 Vorrücken

Über das Vorrücken von Schülern, deren Leistungsstand im Fach Deutsch, in den weiter führenden Schularten auch in den Fremdsprachen aufgrund ihrer Legasthenie oder Lese- und Rechtschreibschwäche den Anforderungen der Jahrgangsstufe nicht entsprechen, entscheidet die Schule in pädagogischer Verantwortung. Bei Schülern mit gutachterlich festgestellter Legasthenie darf diese Teilleistungsstörung nicht den Ausschlag für das Versagen der Vorrückungserlaubnis geben. Wechselt ein Schüler nach Beendigung der Grundschule in die Hauptschule, so ist die aufnehmende Schule auf das Vorliegen einer gutachterlich festgestellten Legasthenie bzw. einer festgestellten Lese- und Rechtschreibschwäche sowie auf den individuellen Entwicklungs- und Leistungsstand des Schülers im Lesen und/oder Rechtschreiben hinzuweisen.

3.5 Übertritt

Legasthenie und eine Lese- und Rechtschreibschwäche dürfen bei sonst angemessener Gesamtleistung kein Grund sein, einen Schüler vom Übertritt an das Gymnasium, die Realschule oder die Wirtschaftsschule auszuschließen. Grundsätzlich sollten Schüler mit Legasthenie oder einer Lese- und Rechtschreibschwäche jedoch nur dann übertreten, wenn Aussichten bestehen, dass sie an der gewählten Schulart mit Erfolg am Unterricht teilnehmen können.

Bei der Feststellung der Deutschnote im Übertrittszeugnis der Grundschule, zusätzlich bei der Englischnote im Übertrittszeugnis der Hauptschule gelten die in Nrn. 3.1 und 3.2 fest gelegten Regelungen. Bei Schülern mit Legasthenie müssen, bei Schülern mit einer vor übergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche können die Leistungen im Lesen und Rechtschreiben zurückhaltend gewichtet werden. Die mündlichen Leistungen sollen im Vordergrund stehen.

Die aufnehmende Schule ist durch das pädagogische Wortgutachten auf das Vorliegen einer gutachterlich festgestellten Legasthenie bzw. einer festgestellten Lese- und Rechtschreibschwäche sowie auf den individuellen Entwicklungs- und Leistungsstand des Schülers im Lesen und/oder Rechtschreiben hinzuweisen.

Hat sich der Schüler beim Übertritt an eine Realschule, eine Wirtschaftsschule oder ein Gymnasium einem Probeunterricht zu unterziehen, so sind die unter Nr. 3.1 genannten Regelungen zur Leistungsbewertung im Fach Deutsch sinngemäß anzuwenden.

3.6 Schulabschlüsse

Die Noten für das Abschlusszeugnis einer Schulart werden gemäß den Bestimmungen der jeweiligen Schulordnung nach den für alle Schüler geltenden Bestimmungen festgesetzt. Bei Schülern mit einer gutachterlich festgestellten Legasthenie wird bei der Notenbildung für das Fach Deutsch von einer Bewertung der Rechtschreibleistung abgesehen. Bei Schülern mit einer Lese- und Rechtschreibschwäche, deren Teilleistungsstörung bis zum Abschluss der Schule nicht vollends behoben werden konnte, können bei der Notenbildung im Fach Deutsch die Leistungen im Lesen und Rechtschreiben zurückhaltend gewichtet werden. In der Zeugnisbemerkung ist darauf entsprechend einzugehen (siehe Nr. IV. 3.1 bzw. 3.2).

Schlussbestimmungen

Die Bekanntmachung tritt am 16. November 1999 in Kraft. Die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 18. Juni 1980 (KMBl I S. 498), geändert mit Bekanntmachung vom 26. Sept. 1980 (KMBl I S. 598) sowie die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 31. August 1990 (KWMBl I S. 319) werden aufgehoben.

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